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Datum: 06.08.2019

Aussterbende Berufe auf dem europäischen Arbeitsmarkt retten

Landkreis Oberhavel beteiligte sich gemeinsam mit polnischen und litauischen Partnern an Erasmus+-Projekt/Vizelandrat überreichte auf Abschlussveranstaltung Europapässe an die Teilnehmenden

Wer kennt heute noch Berufe wie den Fischbeinreißer, den Kalfaterer oder den Lustfeuerwerker? Während der Fischbeinreißer die mannshohen Barten von Walen zerkleinerte, die dann an Kleider- und Galanterieartikelmacher verkauft wurden, dichtete der Kalfaterer beim Schiffbau die Nähte zwischen hölzernen Schiffsplanken mit Werg oder Baumwolle und Holzteer, Pech oder Gummi ab. Der Lustfeuerwerker unterhielt sein Publikum zu Geburten, Taufen oder Hochzeiten mit wirbelnden Feuerrädern, rasenden Schwärmern, krachenden Kanonenschlägen und berstenden Lustkugeln.

Diese und viele andere Berufe sind längst ausgestorben. Einige wie Weber, Bäcker/Konditor, Fleischer, Steinmetz, Sattler, Stellmacher, Ofensetzer, Schmied und Reet-Dachdecker sind heute vom Aussterben bedroht – nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa. Um das zu verhindern, widmete sich das Erasmus+-Projekt „Strategische Partnerschaft zur beruflichen Bildung“ dem Überleben der Berufe. Gemeinsam mit polnischen und litauischen Partnern arbeitete der Landkreis Oberhavel seit 2017 an dieser Maßnahme mit. Deren Ziel war es, wichtiges Wissen über traditionelles Handwerk an nachfolgende Generationen weiterzugeben und ein internationales Netzwerk junger Leute aufzubauen, die Interesse an alten Berufen finden.

Zum Abschluss überreichte Vizelandrat Egmont Hamelow am Dienstag 15 jungen Frauen und Männern – sie sind Auszubildende aus der Region in Handwerksberufen – für ihre erfolgreiche Teilnahme am Erasmus+-Projekt ein Europass-Zertifikat, das sie später bei Bewerbungen um einen Arbeitsplatz nutzen können.

In den vergangenen Monaten hatten sie Zusatzqualifikationen erworben und damit ihre Kompetenzen zur Erleichterung des Übergangs auf den Arbeitsmarkt gestärkt. Beim Besuch verschiedener Bildungseinrichtungen wie dem Eduard-Maurer-Oberstufenzentrum Hennigsdorf, des Lehrbauhofs Oranienburg und der TÜV Rheinland Akademie Lehnitz verschafften sich die Projektpartner einen Überblick über die Ausbildungsmöglichkeiten im Landkreis Oberhavel. Sie informierten sich bei Unternehmen mit traditionellen Handwerksberufen – darunter die Bäckerei Plentz in Schwante und der Granseer Hufschmied Olaf Peter – über deren aktuelle Situation bei der Ausbildung und Nachwuchsgewinnung.

Gemeinsam mit polnischen und litauischen Jugendlichen qualifizierten sich die jungen Leute im polnischen Roskosz. Acht von ihnen machten sich mit den Fertigkeiten eines Schmieds und sieben mit dem traditionellen Bäckerhandwerk vertraut. Insgesamt wurden dort 45 Auszubildende in alten Handwerkstechniken in den Bereichen Schmied, Stellmacher, Weber oder traditioneller Bäcker geschult.

„Die meisten unserer Vorfahren haben ihr Leben lang Tätigkeiten ausgeübt, von denen wir nichts mehr wissen. Die rasante Veränderung der Arbeitswelt hat eine Vielzahl von ausgestorbenen Berufen hinterlassen. Wie viel hochspezialisiertes Können damit verloren gegangen ist, lässt sich kaum ermessen", erinnerte Egmont Hamelow während der Feierstunde. "Die Berufe, die Sie erlernen, sind wichtige Berufe, die nicht aussterben dürfen. Tragen Sie mit Ihrer Freude am Beruf, Ihrer Neugier und Ihren beruflichen Erfahrungen künftig Ihren Anteil dazu bei. Wir wünschen Ihnen für Ihren weiteren beruflichen Weg alles Gute, viel Erfolg und hoffen, dass Sie Ihre erlernten Fähigkeiten und Fertigkeiten in den alten Handwerken gut nutzen und umsetzen können". Egmont Hamelow sprach allen beteiligten Unternehmen – sowohl denen, sich präsentiert haben, als auch denen die ihre Auszubildenden für das Projekt freigestellt haben – für ihr Engagement.

Egmont Hamelow überreichte die Europässe.

© Landkreis Oberhavel